So geht Employee Experience: Melanie Adam-Fischer im Interview

Melanie Adam-Fischer von identifier unterstützt Unternehmen dabei, ihre Employee Experience zu verbessern. Im Interview verrät sie uns, welche Faktoren für eine gute Employee Experience wirklich wichtig sind, warum es eine solide Datenbasis braucht und was das Ganze mit Wertschätzung zu tun hat.

Melanie Adam-Fischer im Gespräch
Inhaltsverzeichnis

Employee Experience: Must-have oder Nice-to-have?

Sebastian Herzl: Wie siehst du Employee Experience?

Melanie Adam-Fischer: Das Thema nimmt wahnsinnig an Fahrt auf.

Wir haben viele Projekte zum Thema Employer Branding, aber wir sehen das nicht getrennt.

Im Employer Branding geben wir der Marke nach außen ein Gesicht.

Bei der Employee Experience arbeiten wir quasi am Charakter, an der Unternehmenskultur.

Es geht um die Fragen: Was versprechen wir denn nach außen? Und was müssen die Mitarbeiter, die dazukommen, dann auch intern spüren? Was ist die Marke? Was sind die Werte, die erlebbar gemacht werden? Das ist das, worauf es ankommt.

Im Endeffekt ist Employee Experience nicht mehr als alle Erlebnisse und Erfahrungen, die ein Mitarbeiter während des gesamten Lebenszyklus macht.

Als Unternehmen alle Kraft ins Recruiting zu investieren und dann intern auszulassen, wäre ein fataler Fehler.

Sebastian Herzl: Dann ist Employee Experience aber wahrscheinlich auch ganz schwer festzumachen. Wo fängt sie an? Wo hört sie auf? Ist sie ein Nice-to-have? Ein Must-have?  

Melanie Adam-Fischer: Auf jeden Fall ein Must-have.

Jeder von uns hatte schon mal einen ersten Arbeitstag. Man weiß, wie man da empfangen werden will. Man weiß auch, was einem Sicherheit gibt.

Als Unternehmen alle Kraft ins Recruiting zu investieren und dann intern auszulassen, wäre ein fataler Fehler. 

Heute müssen wir Leute nicht nur rekrutieren, sondern vor allem auch halten.

Wir beschäftigen uns da mit dem Mitarbeiter-Lebenszyklus, vom Eintritt bis zum Austritt, und fragen uns: Was sind in all diesen Phasen die “moments that matter”? Was sind für die Mitarbeiter die Punkte, die zum Knackpunkt werden könnten, wo man absolut ansetzen muss?

Und warum “Must-have”?

Weil es natürlich viele Jobs gibt. Die Konkurrenz schläft nicht. Mitarbeiter werden aktiv angesprochen.

Und wenn man dann gewisse Erlebnisse hat, zum Beispiel ich bin gerade aus der Karenz zurückgekommen und es schert niemanden oder ich habe gerade versucht, einen Aufstieg zu machen, und es ist wieder gescheitert, dann stellt das etwas mit uns an. Und wir sind natürlich offener für andere Angebote. 

"Moments that matter" aktiv gestalten

Sebastian Herzl: Weil du von “moments that matter” sprichst: Was verstehst du darunter? 

Melanie Adam-Fischer: “Moments that matter” sind neuralgische Punkte im Arbeitsleben.

Zum Beispiel der erste Arbeitstag. In der Onboarding-Phase gibt es ein paar solcher Momente, die ganz typisch sind.

Natürlich existieren innerhalb dieser Moments auch “Quick Wins”, wo man, selbst als großes Unternehmen, schnell etwas in die Wege leiten kann. Und dann gibt es natürlich Dinge, bei denen es deutlich länger dauert, sie zu implementieren.

Es wird oft relativ schnell gesagt: “Da muss sich dann die Führungskraft darum kümmern”. Aber wir können nicht To-Dos ohne Ende auf die Führungskräfte überstülpen.

Gewisse Dinge, die wir in der Employee Experience haben wollen, müssen einfach in Prozesse gebracht werden. Wo wir sagen, das ist unser Standard als Marke, das ist quasi das Pflichtprogramm. 

“Moments that matter” sind neuralgische Punkte im Arbeitsleben.

Wer kümmert sich um die Employee Experience?

Sebastian Herzl: Wer sind für euch die wichtigsten Personen, damit ich als Organisation eine neue Experience schaffen kann? 

Melanie Adam-Fischer: Unser Ansatz betrifft in der Regel das Gesamtunternehmen. Das heißt, wir reden im ganzen Prozess auch mit dem Management, wir reden mit HR, wir reden mit der Kommunikationsabteilung und natürlich mit den Mitarbeitern.

Aber wenn man dann Dinge wirklich in der Organisation implementieren möchte, muss man entweder HR oder eine andere Stelle zum Dirigenten machen, bei dem alle Fäden zusammenlaufen. 

Sebastian Herzl: Hat die HR überhaupt das nötige Standing dafür?

Melanie Adam-Fischer: Ich glaube, HR hat in den meisten Organisationen ein sehr gutes Standing oder ist gerade auf einem guten Weg dorthin.

Sie ist auch in gewisser Weise auf einem Weg des Upskillings, weil es natürlich viel mehr Aufgaben gibt und viel mehr Ressourcen bedarf.

Man muss aber auch sagen: Bei den Ergebnissen aus einem Employee-Experience-Projekt sind nicht alle Themen nur Kommunikations- oder HR-Themen.

Wenn die Ergebnisse am Tisch liegen, kann man auch schauen: Wen brauchen wir darüber hinaus? Ist es vielleicht etwas, das die IT angeht? Oder ein Organisationsentwicklungsthema?

Es ist hier ganz wichtig, dass HR die Möglichkeit hat, sich die richtigen Player ins Boot zu holen oder auch Bälle einfach weiterzuspielen. Dazu muss sie aber auch vom Management in die Rolle gehoben wird, mit dieser Gesamtbrille als Arbeitgeber darauf zu schauen.

Zahlen und Fakten für die Employee Experience

Sebastian Herzl: Wie kommt ihr hier zu eurer Datenbasis, um evidenzbasiert zu wissen, welche Themen für die Employee Experience relevant sind?

Melanie Adam-Fischer: Wir als identifier machen qualitative Fokusgruppen. Das heißt, wir gehen wirklich mit den Mitarbeitern mehrere Stunden in den Dialog und stellen Fragen.

Aber natürlich ist es immer sinnvoll, zusätzliche Datenquellen heranzuziehen. Das kann eine Mitarbeiterbefragung sein oder auch kontinuierliches Feedback, wie bei teamecho.

Hier kann man durch die Daten toll Trends entdecken, wo man ansetzen kann. 

Und natürlich ist nicht jede Maßnahme, die wir einführen, gleich am Punkt. Es geht ja auch wirklich darum, die Leute weiterhin mitzunehmen und im Dialog zu bleiben.

Dann sind Tools gut, mit denen ich einfach zwischendurch Feedback einholen kann, um in einen iterativen Prozess zu kommen.

Und das ist schon ein generelles Umdenken. Jemand, der aus der Innovationsecke kommt, würde wahrscheinlich sagen: Das machen wir schon immer so. Aber in der HR ist es eigentlich bisher nicht sehr üblich. 

Natürlich ist nicht jede Maßnahme, die wir einführen, gleich am Punkt. Dann sind Tools gut, mit denen ich einfach zwischendurch Feedback einholen kann, um in einen iterativen Prozess zu kommen.

Sebastian Herzl: Ich glaube ja, wer fragt, bekommt wahnsinnig viel wichtigen und guten Input. 

Aber es kann auch Input sein, der nicht immer ganz leicht verdaulich ist. Dafür braucht es einen gewissen Reifegrad einer Organisation, sich dem auch wirklich stellen zu wollen. 

Melanie Adam-Fischer: Absolut. Es ist einfach ein Kulturwandel. Es ist schon eine erste Intervention, überhaupt mit den Leuten in den Dialog zu gehen.

Und das bringt natürlich auch einen gewissen Handlungsdruck. Wenn man fragt, was man verändern soll, muss man dann auch eine Veränderung einleiten.

Und dass man hier als Organisation sagt, okay, wir sind offen und wir schauen dem ins Auge, dass wir an verschiedenen Hebeln ansetzen müssen – das dauert natürlich eine Weile lang, bis man sich da öffnet. 

Die Rolle der Führungskräfte

Sebastian Herzl: Gerade Führungskräften kommt ein essentieller Part zu. Hast du da vielleicht Empfehlungen? 

Melanie Adam-Fischer: Ich glaube, Führungskräfte muss man vor allem für dieses ganze Thema sensibilisieren und ihnen aufzeigen, was die Marke in der Strategie und als Kompass für das eigene Team leisten kann.

Was bedeutet das für mein Team, wenn wir diese Werte leben wollen? Was bedeutet das, wenn ich mein Team nach diesen Werten führe? Das sind wirklich so Dinge, die man einer Führungskraft bewusst machen muss. 

Sebastian Herzl: Da gilt es also auch, sehr viel Sensibilität aufzubauen.  

Melanie Adam-Fischer: Ja, und ich glaube, wir sind aktuell noch in der Phase, dass man sagt, man muss die Führungskräfte stark bei diesem Thema ins Boot holen und auch intern ein bisschen für die Relevanz des Themas lobbyieren.

Was sind so die “moments that matter” deiner Leute? Oft ist Wertschätzung ein Thema, hören wir in unseren Gesprächen. Wie wird Feedback gegeben? Wie wird, wenn private Themen dazukommen, darauf eingegangen? Etc.

Das sind oft so Kleinigkeiten, die im Alltagsstress auch untergehen können. Aber man sollte das wirklich nicht dem Zufall überlassen, da kann man einige Maßnahmen setzen. 

Sebastian Herzl: Was muss ich als Organisation tun, damit ich einen Rahmen herstelle, in dem Mitarbeiter*innen offenes, ehrliches Feedback geben können? 

Melanie Adam-Fischer: Wir betonen natürlich immer ganz stark, dass das Feedback anonym ist und auch die Ergebnisse anonymisiert zusammengefasst werden.

Es gibt aber schon die ein oder andere Organisation, wo die Mitarbeiter das nicht glauben können. Hier ist es ganz, ganz wichtig, das dem Management und der Projektgruppe weiterzugeben und zu sagen: Wir haben hier wirklich Kulturthemen. Man muss dann schauen, woher diese Misstrauenskultur kommt. 

Das sind die größten Einflussfaktoren

Sebastian Herzl: Was sind so Einflussfaktoren auf die Employee Experience, die nie fehlen dürfen?  

Melanie Adam-Fischer: Das Onboarding bietet sich als Beispielthema natürlich an, weil durch diese Bindung am Anfang ein Fundament geschaffen wird. Wenn man sich mal wohlfühlt und performen kann, dann sieht ja die Welt auch schon wieder ganz anders aus.

Was ich aber generell als Orientierung hilfreich finde, ist der Ansatz von Jacob Morgan.

Er hat eine große Studie gemacht und eine Formel entwickelt, wie sich Employee Experience zusammensetzt.

Nämlich aus Culture, Technik und Place.

Mittlerweile würde man bei Place wahrscheinlich nicht mehr das Bürogebäude sehen, sondern eher die Arbeitsweisen und die Möglichkeiten von flexibler Arbeit und Remote Work.

Bei den technischen Hilfsmitteln geht es in Produktionsbetrieben zum Beispiel um Werkzeuge, beim Arbeiten am Laptop eher um die Funktionalität von Programmen.

Und beim Thema Culture steckt für Morgan auch das Thema Leadership drinnen. Wobei ich finde, dass man das eigentlich fast nochmal herausheben müsste, weil es so bedeutend ist. 

Aber das sind schon die Bereiche, wo man sagt, da kann man darauf schauen. 

Ganz wichtig ist, dass man sich als Unternehmen nicht zu viel vornimmt. Nicht immer mehr, mehr, mehr und alles auf einmal, sondern wirklich einzelne Bausteine gut zu machen. Und zwar so, dass es die Bedürfnisse von den Leuten genau trifft.

Melanie Adam-Fischer: Und ich glaube, es ist ganz wichtig, dass man sich als Unternehmen nicht zu viel vornimmt. Nicht immer mehr, mehr, mehr und alles auf einmal, sondern wirklich einzelne Bausteine gut zu machen. Und zwar so, dass es die Bedürfnisse von den Leuten genau trifft. 

Das sieht man auch bei vielen Unternehmen, die zum Beispiel gesagt haben, wir überarbeiten jetzt unser Karenzmanagement, damit das super funktioniert. Oder wir werfen einen Blick auf unsere Benefits und Weiterbildungsangebote und sehen uns an, ob wir auch für die Gruppe 50+ etwas haben und nicht nur für die “Young Talents”.

Sebastian Herzl: Dabei ist dann wahrscheinlich Feedback wichtig, um genau dort anzusetzen, wo es tatsächlich zielführend ist. 

Melanie Adam-Fischer: Es wird keine Maßnahme gleich auf den ersten Schwung so ganz am Punkt sein. Mit Feedback hat man einfach die Möglichkeit, nach ein paar Wochen wieder nachzujustieren. 



Benefits: Yay or nay?

Sebastian Herzl: Wie wichtig sind Benefits heute noch?  

Melanie Adam-Fischer: Benefits haben ihre Berechtigung und tragen zur Attraktivität bei, aber natürlich wird einen auf Dauer kein Benefit halten.

In der Employee Experience sucht man im Prinzip genau die gestaltbaren Elemente in der Unternehmenskultur. Und wenn wir es schaffen, das quasi von der Projektebene wirklich in die Organisation zu bringen und zu implementieren, das heißt gewisse Standards einzuführen und nicht nur alles von der Führungskraft abhängig zu machen, dann verändert sich natürlich kontinuierlich auch ein bisschen die Kultur. 

Sebastian Herzl: Dafür braucht es kontinuierliches, regelmäßiges Feedback, oder? 

Melanie Adam-Fischer: Absolut. Ich glaube, das ist genauso der Knackpunkt.

Das ist ja regelrecht ein Paradigmenwechsel in der Unternehmenskultur, dass man sagt, man geht in den Dialog und man bleibt im Dialog.

Wir gestalten die Unternehmenskultur mit den Leuten, für die sie ja auch ist. Wir alle sind Teil dieser Kultur und arbeiten gemeinsam daran.

Natürlich können wir jetzt nicht ständig nur Workshops machen. Regelmäßiges, kurzes Feedback zu haben, ist ganz essentiell, um wirklich nachhaltig etwas zu verändern. 

Sebastian Herzl: Noch mal zum Thema Onboarding: Was sollten Unternehmen unbedingt beachten?  

Melanie Adam-Fischer: Ich glaube, im Onboarding zeigt sich ganz stark das Thema Zeit haben. Zeit haben anzukommen und dass jemand anderer Zeit hat, wie zum Beispiel in einem Patenprogramm, um mich gut abzuholen.

Auch die Führungskraft sollte sich Zeit nehmen. Zeit ist ein wesentlicher Faktor, der einfach auch den Unterschied macht.

Zeit ist das absolut Wertschätzendste, was man jemandem Neuen entgegenbringen kann.

Wertschätzung wirkt Wunder

Sebastian Herzl: Hat das auch etwas mit Wertschätzung zu tun?  

Melanie Adam-Fischer: Ja, absolut. Wir wissen ja, wie eingedeckt alle sind und was Zeit eigentlich für eine wichtige Ressource ist.

Dann ist Zeit das absolut Wertschätzendste, was man jemandem Neuen entgegenbringen kann. Zu sagen, wir haben uns für deine ganze Onboarding-Experience Gedanken gemacht und sinnvoll geplant und haben uns dafür jetzt auch noch Zeit genommen.

Denn man kommt natürlich in ein Unternehmen hinein und möchte performen. Jeder möchte zeigen, was er kann, jeder möchte zeigen, dass mit ihm eine gute Entscheidung getroffen wurde. Und diese Top-Performance braucht ein gutes Fundament. 

Sebastian Herzl: Kann ich als Führungskraft Wertschätzung lernen? 

Melanie Adam-Fischer: Gute Frage. Ich glaube, man kann sich schon intensiv damit auseinandersetzen. Was ist Wertschätzung und was wird als wertschätzend empfunden?

Verschiedene Dinge kann ich da bestimmt lernen. Es ist aber schon auch eine Persönlichkeitssache. 

Sebastian Herzl: Ja, mit Sicherheit. Ich hatte da zuletzt ein sehr schönes Gespräch, wo es auch darum ging, teamecho als Hilfsmittel für sehr kennzahlengetriebene Führungskräfte einzusetzen. Das heißt, man lenkt den Fokus auf gewisse Bereiche dadurch, dass man Daten und Fakten zur Verfügung stellt, mit denen sonst auch gearbeitet wird. Das habe ich recht spannend gefunden. 

Melanie Adam-Fischer: Das ist ein guter Ansatz, weil natürlich jeder tickt anders. Und so hat man die Chance, einfach auch einen sehr zahlen- und datengetriebenen Menschen irgendwie zu packen.  

Sebastian Herzl: So kann man den Manager dann quasi doch noch zum Leader machen. 

Melanie Adam-Fischer: Ja, genau. 



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